Wieder ein Buch von Fortunato, das den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann zieht, und das aus mehreren Gründen: inhaltliche Spannung durch unheimliches und undurchsichtiges Geschehen, atmosphärisch dichte Schilderungen und Beobachtungen und nicht zuletzt ein ungewöhnliches Erzähltalent, das rhetorische und stilistische Stilmittel noch gezielter und prägnanter als in den vorigen Romanen einzusetzen weiß, etwa die häufige An- und Vorausdeutung im letzten Satz des Kapitels, wobei das folgende zunächst - weiter spannungssteigernd - einen Szenenwechsel bringt und alles offen lässt. Kein Zweifel, ein echter Fortunato, von dem man weiß, dass er sein "Handwerk" gelernt hat, und der, wie man bald erkennt, dies im vorliegenden Roman zur Meisterschaft ausgeformt hat. Leichtfüßig springt der Erzähler von Thema zu Thema, mischt fantastische Elemente mit historischen Einschüben, die nicht nur von beträchtlichem Geschichtswissen, sondern auch Geschichtsbewusstsein zeugen. Stärker als in den bisherigen Romanen spielt das Moment der Magie eine Rolle, es nimmt im Laufe der Erzählung einen immer größeren Stellenwert ein. Der Leser, wissensmäßig mit Drago, der Hauptperson, auf einer Ebene, kann mit diesem zusammen den sich langsam bahnbrechenden Erkenntnissen folgen. Ausgeprägter noch als in den Erzählungen von Goldauge hat Fortunato in Die Spur der Drachen von seinem Talent der minutiösen, stimmungshaften Beschreibung Gebrauch gemacht. Er zögert nicht, den jugendlichen Leser etwa mit der Beschreibung eines Kircheninneren über fast zwei Seiten hinweg zu konfrontieren, die man dennoch mit ungeduldiger Gespanntheit liest, wohl wissend, dass das Gesagte nicht (nur) um seiner selbst willen da steht, sondern zielsicher auf etwas Anderes, Dahinterstehendes, Größeres zusteuert. Die Spur der Drachen: Ein spannendes Spiel im alten Venedig nimmt seinen Lauf. Geheimnisvolle Magier und Gelehrte bevölkern diese Stadt, die sich durch ihre Lage, ihre Morbidität, ihre mit Masken verkleideten Menschen wie kaum eine andere als Hintergrund unheimlichen Treibens eignet. Im Mittelpunkt ein Junge, Drago, der seiner Familie zu helfen versucht durch kleine Diebstähle, die er beim Hehler versetzt, der Vater ein Gondoliere, der die armen Toten zur Toteninsel fährt, die Mutter schwerkrank auf dem Bett. In diese Welt gerät der Gelehrte und Zauberer Hannibal Rabe, der Drago bald als seinen Gehilfen anstellt und mit ihm einem bestimmten, nicht näher definierten Geheimnis auf die Spur zu kommen versucht, das mit Büchern und mit Zeit zu tun hat. Schnell gerät Drago in seinen Bann, bestiehlt ihn dennoch, raubt ihm die wertvolle Uhr, nicht wissend, dass er damit dem vorgezeichneten Weg von Rabe folgt: Dessen Leben ist in der Uhr eingeschlossen, hängt ebenso mystisch damit zusammen wie das Leben der todkranken Mutter und der verschwundenen Schwester Dragos. Drago kann sich keinen Reim auf die Dinge machen. Rabe ist tot nach dem Diebstahl, aber sein Leichnam ist nirgendwo zu finden. Und welche Rolle spielt der reiche Conte Rubio in seinem Palast? Er lehrt Drago die Möglichkeiten der Zauberei zu erkennen; die Weissagungen der alten Bücher öffnen sich und Drago begreift, "auf welch geheimnisvolle Weise uraltes Wissen durch die Zeit zu magischer Kraft gereift war." Er lehrt Drago auch die Bücher umzuschreiben, aus ihnen zu tilgen, was die Welt nicht erfahren soll - doch Drago bleibt kritisch, erkennt, was er tut, stellt sich immer intensiver die Frage nach der Rechtmäßigkeit seines Tuns, nach ethischer, moralischer, historischer Verantwortung; Fragen, die nicht gerade erleichtert werden durch die grundlegende Unsicherheit, wer der Gute, wer der Böse ist - Rubio? Rabe? Nicht nur Drago ist verwirrt … Für den Leser ergibt sich eine ausgesprochen aufregende Geschichte, deren Spannung sich meisterhaft steigert. Nichts ist, wie es scheint, und bis kurz vor dem Ende gibt es kaum auch nur den Hauch einer Ahnung, worauf die Ereignisse eigentlich zulaufen, und doch wird der Leser angetrieben, wie unter Zwang weiterzulesen, Drago auf seinem Weg zu folgen, sich der magischen unheimlichen Atmosphäre hinzugeben, zu versinken in historisch fantastischen Welten … Am Ende des Romans angekommen, bleibt für den Leser nur ein einziger Trost: Es ist der erste Band einer Trilogie. Welcher grandiose Lesespaß steht uns also noch bevor!
Personen: Montasser, Thomas
5.1 Fantasy Mont
Montasser, Thomas [Verfasser]:
Die Spur der Drachen : Dragos dunkle Reise / Fortunato / Thomas Montasser. - Frankfurt/Main : Baumhaus, 2009. - 219 S. : Illustrationen. - (Dragos dunkle Reise / Fortunato; 1)
ISBN 978-3-8339-3720-0 fest geb. : ca. € 15,30
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